Ist es wirklich sinnvoll, einen Au-Pair-Aufenthalt über das Internet selbst zu organisieren und welche Risiken geht man dabei ein – eine Frage, die oft gestellt wird.
Ich möchte etwas zu einem Thema beitragen, das mich persönlich sehr bewegt und das immer wieder auftaucht, im Internet, den Printmedien, oder auch bei uns im Büro am Telefon. Es mag sein, dass es abgegriffen erscheint bzw. dass schon viel darüber geschrieben wurde – in jedem Fall aber handelt es sich um eine Thematik die mir aus verschiedenerlei Gründen sehr am Herzen liegt, nämlich die teilweise oder vollständig kostenlose Au-Pair-Vermittlung über ein Internetportal, d.h. ohne Einschaltung einer Agentur.
Ja – es ist richtig, dass es, zumindest in vielen Ländern, sehr wohl möglich ist, den Au-Pair-Aufenthalt auf eigene Faust zu organisieren. Sowohl im Rahmen meiner Tätigkeit für den Deutschen Bundesverband der Au-Pair-Vermittler, als auch bei Kulturist erhielt (und erhalte) ich Anrufe von Au-Pairs (und auch immer wieder von Gastfamilien), die mir von ihren teilweise sehr traurigen Erfahrungen erzählten. Ebenso meldeten sich besorgte Eltern von zukünftigen Au-Pairs, oder, schlimmer noch, Au-Pairs, die ohne Agentur im Ausland sind oder waren und die dort in Situationen geraten waren, in denen sie dringend auf kompetente Hilfe angewiesen waren.
Im Folgenden geht es um reelle Erfahrungsberichte von Betroffenen, die sich bei mir meldeten und um Rat ersuchten.
Au-Pair als Haushaltshilfe
Relativ harmlos ist noch der eine Fall, bei der das Au-Pair als günstige Haushaltshilfe missbraucht wurde. Die junge Dame erzählte mir, was sie in Neuseeland erlebt hat. Die erste Gastfamilie, zu der sie, ohne Agentur, sondern über ein kostenloses Au-Pair-Portal, ging, habe in einem Haus mit kahlen Wänden, ohne wirklichen Fußbodenbelag, dafür aber mit Ameisen und anderem Ungeziefer, gelebt. Bilder des Hauses habe man ihr vor der Abreise nicht geschickt, da das Haus gerade renoviert werde. Später gaben die Gasteltern zu, dies habe man bewusst nicht getan, weil sie ja sonst sicher nicht gekommen wäre. Nach etwa sechs Wochen habe sie dann die Familie gewechselt. In der zweiten Gastfamilie habe sie das kleinere der beiden Kinder jeden Tag, vollständig allein von 7 Uhr morgens bis 8 Uhr abends betreuen müssen, was ihr dann doch zu viel gewesen sei. Die dritte Familie war eine Dame, die vier Pflegekinder hatte, aber einen sehr netten Eindruck gemacht habe. Nachdem sie in diese Familie gewechselt habe, sei ihr erst klar geworden, dass die Dame gar nicht mit im Haus wohnte, sondern sie, zusammen mit einem anderen Au-Pair diese Kinder ganz alleine betreuen sollte. An dieser Stelle habe sie dann aufgegeben und sei wieder nach Hause geflogen.
Au-Pair ohne Sprachkurs
In einem anderen Fall ging es um eine 19-Jährige, welche statt des geplanten halben Jahres, nur knapp fünf Wochen in Spanien bleiben konnte. Auch sie hatte ihre Gastfamilie selbst gefunden. Das kleine Mädchen, welches sie betreute, besuchte eine deutsche Schule – beide Eltern waren berufstätig. Die Arbeitszeit dieses Au-Pairs betrug häufig bis zu 13 Stunden am Tag und das die Familie eher ländlich wohnte, konnte sie auch keinen Sprachkurs besuchen. Die Gasteltern waren aber, sofern sie anwesend waren sehr nett zu ihr. Allerdings hat man ihr nach rund vier Wochen mit einer Frist von zwei Tagen, in denen sie den Heimflug buchen sollte, gekündigt. Als Grund wurde angegeben, man habe sich nun anders organisiert. Auf Nachfrage erzählte mir das Au-Pair, dass sie den Kontakt zur Gastfamilie über ein kostenfreies Internetportal hergestellt habe.
Au-Pair mit utopischem Gehaltsangebot
In mehreren Fällen wurde uns bekannt gegeben, dass sich potentielle Au-Pairs über kostenfreie Internetportale eine Gastfamilie in den USA gesucht haben. Sie erhielten dann über Facebook Nachrichten von angeblichen Gastfamilien, die ihnen Gehälter von über 1.000 Dollar/monatlich plus dem üblichen wöchentlichen Taschengeld anboten. Wer aber ohne ein entsprechendes Visum (und das gibt es nur, wenn man über eine in den USA zugelassene Agentur geht, die wiederum mit einer Partneragentur in Deutschland arbeiten muss) in die USA einreist, wird ganz sicher große Schwierigkeiten bekommen.
Und es geht immer weiter...
Nicht ungewöhnlich ist es auch, dass sich die versprochene Stadt, als ein abgelegenes Dorf irgendwo im Großraum herausstellt, wie im Falle eines Mädchens aus Frankfurt, welches sich an mich wandte. Sie war eigentlich der Meinung, ihre Gastfamilie wohne in Lille – tatsächlich aber handelte es sich um ein Dorf, welches etwa 40 Kilometer entfernt lag und von wo der Überlandbus nur einmal pro Stunde zur Metrostation in Richtung Stadt fährt.
Eine Familie aus der Türkei hatte über eine Internet-Anzeige ein Au-Pair aus Deutschland eingeladen und dieses Mädchen dann später grundlos des Diebstahls bezichtigt und angezeigt. Wie sich herausstellte, war dem Vorgänger-Au-Pair das Gleiche geschehen. Die junge Dame saß wochenlang dort fest und durfte das Land nicht verlassen. Die entsprechende, nett gemachte Anzeige hat sie hier in dem gleichen Portal wieder neu gefunden.
Oder aber die angeblichen gut betuchten Gastfamilien mit riesigen Häusern, Pool und eigenem Auto für das Au-Pair, die darum bitten, die Reise über eine bestimmte Reiseagentur zu buchen und dort am besten Vorkasse zu leisten. Sie können davon ausgehen, dass niemand, der versucht hat, auf diese Weise seinen Auslandsaufenthalt anzutreten, jemals wieder etwas von einer dieser Familien gehört hat!
Untenstehenden Brief haben wir von einer jungen Dame erhalten, die ihre erste Auslandserfahrung nicht über eine qualifizierte Au-Pair-Agentur gemacht hat. Kim stellt dieses Schreiben all denjenigen, die einen Au-Pair-Aufenthalt planen, gerne zur Verfügung, weil sie hofft, so dazu beitragen zu können, zukünftigen Au-Pairs unnötige Enttäuschungen zu ersparen:
Ich könnte noch etliche andere, mehr oder minder spektakuläre Fälle hier auflisten – das würde aber vermutlich den Rahmen dieses Blogs sprengen und die Geduld meiner Leser(innen) auf eine zu harte Probe stellen.
Wenn Sie sich mit dem Gedanken tragen, als Au-Pair ins Ausland zu gehen rate ich Ihnen, sich die Konditionen der kostenfreien Internetportale genauestens anzuschauen. Vergleichen Sie den Leistungsumfang mit dem einer qualifizierten Agentur. Sämtliche Agenturen beantworten Ihnen gerne Ihre Fragen zu den anfallenden Kosten und welche Leistungen Sie dafür erhalten.
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nadine am
Hallo,
Ich habe so quasi alles erlebt, was in dem Blog aufgezählt worden ist. Das von kim konnte von mir stammen.
Ich wuerde gerne andere aupairs kennenlernen, denen es auch so geht.
Bin zwei mal infolge gekuendigt worden v brit. Familien.... :(
Reise am we zurueck nach deutschland.
Kruebe am
Liebes Team,
meine Tochter beabsichtigt, für 1 Jahr als Au Pair in die USA zu gehen.
Können wir dies selbst organisieren?
Ich stoße immer wieder auf die "Agenturpflicht", ohne die man angeblich kein Visum für die USA bekommt.
Ist das richtig?
Über eine kompetente Antwort würde ich mich freuen.
Vielen Dank im Voraus
Kruebe
Antwort von Judith Liehr
Das ist richtig und wird vom State Department so vorgegeben. Ein Aufenthalt als Au-Pair kann nur über einen sogenannten J1 Sponsor, d.h. Vermittlungsorganisation in den USA, erfolgen, die wiederum über deutsche Organisationen arbeiten. Dies garantiert, dass die Vorgaben des Programms in den USA so wie vorgesehen eingehalten werden.
Torsten Meuter am
Wir organisieren seit nunmehr 7 Jahren unsere Aupairs selbst über Portale, seit 5 Jahren über aupairworld. Kostenlos ist das praktisch aber nicht, da i.d.R. eine sinnvolle Kommunikation untereinander nur möglich ist, wenn mindestens eine Partei eine kostenpflichtige Mitgliedschaft hat. Aber im Vergleich zu Agenturen sind die Kosten trotzdem sehr überschaubar.
Insgesamt kann ich folgendes sagen:
Als Familie muss man wissen, was man will - und was man nicht will. Es bietet sich an, dass dann auch so im Profil und Mails zu formulieren, dass es ein fremdsprachliches Aupair auch versteht.
Das Gleiche auf der anderen Seite, dem Aupair.
Das setzt aber immer voraus, dass beide Seiten ehrliche Absichten hegen und sich gegenseitig Vertrauen. Ohne Vertrauen geht das nicht. Allerdings muss man ehrlicherweise sagen, dass die gewissenhafte Suche sehr zeitaufwendig ist und man vielleicht auch negative Erfahrungen macht, die über eine Agentur vermeidbar gewesen wären (vielleicht. Je nach Qualität der Agentur).
Wir legen die Jobs immer auf 12 Monate aus. Manchmal klaptt's, manchmal nicht. Die Suche beginnen wir ca. 5 Monate vor dem avisierten Wechsel. Manchmal hat man schon nach 2 Wochen Erfolg, manchmal nach 2 Monaten. Aupairs sichten, filtern, kontaktieren, Mails schreiben (oft auf englisch), skypen, sich auch mal Scans von Führerscheinen etc. schicken lassen... . Dann die Unterstützung bei den Einreisemodalitäten. Das Ganze ist sehr aufwendig und man braucht Geduld. Aber...
von bisher 13 Aupairs wurden wir, bis auf zwei Ausnahmen, mit 11 wunderbaren und sehr gut zu uns passenden Menschen aus der ganzen Welt belohnt.
Ich kann für uns sagen: Es hat sich immer gelohnt, selbst auf die Suche zu gehen - wenn man ein paar wichtige Regeln beachtet.
Gute (!) Agenturen nehmen einem einen Haufen Arbeit ab und sind Ansprechpartner, wenn was hakt. Ob nun die Agentur ihr Register durchforstet oder ich in einem Portal - da sehe ich noch keinen großen Unterschied.
Sie sind für manche Länder obligatorisch.
Sie kennen sich mit den Gepflogenheiten der betroffenen Nationalitäten aus.
Sie sind erfahren, stellen sinnvolle, umfassende Fragen und erkennen möglicherweise auch schneller Ungereimtheiten.
Aber sie sind auch keine Hellseher. Niemand weiss letztlich, ob die Chemie zwischen den Parteien am Ende stimmt. Und wenn nicht und man sich trennen muss, kann auch eine Agentur i.d.R. keinen perfekten Ersatz aus dem Hut zaubern.
Und wenn jemand (Familie oder Aupair) ernsthaft betrügen will, findet diese Energie immer eine Lücke. Notfalls werden halt dann "alternative Fakten" geschaffen. Wer kann denn, um Bezug zum obigen Beispiel zu nehmen, überprüfen, ob das Foto eines Hauses, eines Zimmers oder irgendwelche Referenzen wirklich echt sind?
Meiner ganz persönlichen Meinung nach haben beide Angebote ihre absolute Daseinsberechtigung. Es ist Typfrage, was zur eigenen Person, zum Geldbeutel und zur aktuellen Lebenssituation passt. Man muss sich aber immer bewusst machen, dass sowohl die Entscheidung, ein Aupair aufzunehmen wie als solches im Ausland zu arbeiten, eine wichtige ist. Mit dem Thema sollte man sich schon beschäftigen!
Wer sich ehrlich eingestehen kann, völlig unerfahren zu sein, oftmals doch zu gutgläubig und auch naiv an Dinge heranzugehen, dem rate ich dringend die Unterstützung durch eine gute Agentur an. Denn mit Naivität tappe ich mit hoher Wahrscheinlichkeit in jede sich mir öffnende Falle.
Antwort von Judith Liehr
Vielen Dank für Ihren ausführlichen und sachlich korrekten Kommentar zu diesem Artikel.
casasteffi am
Na super und uns hat die Internet Vermittlung abgelehnt weil wir jemanden suchen der Photos und Videos von Ausflugszielen macht. Besser könnte es ein Au Pair doch gar nicht treffen, als die Gegend zu erkunden und eine Beschreibung zu erstellen von dem Erlebten.
Also wenn das Au Pair einen leichten Job machen soll passt das nicht in das Konzept von aupairworld.
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