Miriam ist derzeit als über uns als Au-Pair in England – sie wurde vom deutschen Bundesverband zum Au-Pair des Jahres 2020 outgoing gewählt. Hier ihr Essay:
Abschied, Abflug und der Start in ein Abenteuer, in mein Jahr als Au Pair, das bisher nicht hätte besser sein können!
Wie soll ich nur aus meinen ganzen wertvollen Erfahrungen, die ich schon sammeln durfte, die beste heraussuchen? Kann ich überhaupt zwischen Geburtstag in einem fremden Land, der ersten herzlichen Umarmung der Kinder, Halloween, englischen Traditionen wie der Bonfire Night oder der weihnachtlichen Stimmung bei den Christmas Carols, einen Moment heraussuchen, der mich bis jetzt so geprägt hat, dass ich ihn als das besondere Ereignis bestimmen würde?
Hello, ich bin Miriam und komme eigentlich aus der Schwabenmetropole Stuttgart, aus dem Süden Deutschlands. Mit meinen 19 Jahren habe ich mich entschlossen, meinen Traum in einer englischen Gastfamilie zu leben, zu verwirklichen. Seit nun schon drei Monaten wohne ich bei der für mich perfekten Gastfamilie in Chertsey, 948 Kilometer weit weg von Zuhause. Chertsey ist ein kleines Städtchen in der britischen Grafschaft Surrey, welches nur eine halbstündige Zugfahrt weit weg von der Hauptstadt London liegt. Könnt ihr mir glauben, dass es sich auch nach noch drei Monaten überwältigend anfühlt, jeden Tag die Chance zu haben, direkt in das Herz des Landes zu fahren?
Täglich kann und will ich das natürlich trotzdem nicht machen, denn da gibt’s auch noch meine zwei kleinen Freunde Hector und Jasper, die viel mehr für mich bedeuten, als meine host kids. Hector ist schon zwölf Jahre alt und als klein darf ich ihn eigentlich auch nicht mehr bezeichnen, denn es fehlen ihm ja nur noch ein paar Zentimeter bis er so groß ist wie ich Zentimeter (with a winkle in his eye). Er kann nicht nur perfekt die Querflöte spielen, was seiner morgendlichen Übung und dem Raub des Schlafes der restlichen Familie zu verdanken ist, sondern könnte uns wahrscheinlich auch in einer Notlage mit seinen Judokünsten verteidigen. Jasper ist acht Jahre alt und mit ihm wird es nie langweilig. Für jede Situation hat er einen Witz parat und auch wenn der lustige Moment schon längst vergangen ist, wird er einen immer wieder daran erinnern, selbst wenn es nur zehn Minuten sind. Außerdem solltet ihr euch seinen Namen sehr gut merken, denn im Fußball ist er absolut spitze und ich glaube fest daran, dass nicht nur mein Herz Luftsprünge macht, wenn sein Team ein Match gewinnt, sondern irgendwann auch das, der englischen Nationalmannschaft und Nation.
Nicht zu vergessen, sind auch meine zwei absolut warmherzigen Gasteltern Ann und James. Beide sind zwar vollkommen in ihre Arbeit eingespannt, schaffen es aber dennoch eine so enge und familiäre Atmosphäre in unser kleines, englisches Häuschen zu bringen, wie ich es sonst nur von Zuhause gewöhnt bin. Meine vorherige Angst, im Heimweh zu versinken, hat sich schon in den ersten Tagen vollkommen in Luft aufgelöst und wird jetzt schon durch die Panik ersetzt, irgendwann wieder gehen zu müssen. Wirklich jeden Tag danken sie mir für meine Arbeit und geben mir so eine Wertschätzung mit, dass man sich gar nicht mehr wie das Au Pair der Familie, sondern eher wie ein Familienmitglied fühlt. Somit bin ich das siebte Mitglied der Familie Rutter/ Perrins, denn neben der vierköpfigen Familie bereichern die zwei schwarzen flauschigen Samtpfötchen Breakspear und Bendor das alltägliche Leben. Falls es mir am Ende meiner Au Pair Zeit dann doch so schwerfallen sollte, meine Gastfamilie zu verlassen, kann ich immer noch sagen: „There’s a cat on me!“, was für Jasper definitiv ein Grund ist, nicht in die Schule gehen zu können.
Vielleicht habt ihr jetzt schon gemerkt, wie gut es mir wirklich in meiner Gastfamilie gefällt und weshalb es auch so schwer ist, einen besonderen Moment herauszusuchen, da sie (so kitschig es klingen mag), auch die kleinen, scheinbar unbedeutenden Augenblicke zu einmaligen Erlebnissen machen. Klar gibt es auch in meiner Gastfamilie kurze Momente, in denen mir meine Arbeit als Au Pair über den Kopf steigt und ich mit Dingen konfrontiert werde, mit denen ich mich davor noch nie auseinandergesetzt habe, aber nur wer aus seiner eigenen Komfortzone ausbricht, wächst. So habe ich in den drei Monaten schon mehr fürs Leben dazugelernt, als in meiner Zeit davor. Ich bin nicht nur um Weiten eigenständiger und selbstbewusster geworden, sondern kann jetzt auch stolz behaupten, die Bügelwäsche um die dreifache Schnelligkeit abarbeiten zu können! ;) Ich habe gelernt, wie es ist, an einem neuen Ort von null zu starten, um dann zu sehen, wie viel Mühe es kostet, sich ein eigenes Leben dort aufzubauen. Man muss sich viel intensiver mit sich selbst auseinandersetzen, um soziale Kontakte zu knüpfen und Freunde zu finden, doch es lohnt sich! Ich kann jetzt schon behaupten, Freunde aus aller Welt fürs Leben gefunden zu haben, die mich nicht nur durch ihre Persönlichkeit, sondern auch durch ihre Kultur und Sprache bereichern. Zusammen werden die kleinen Momente der Sehnsucht nach Zuhause geteilt und die Erfahrungen im Land der Queen verdoppelt! Ohne sie, wäre mein Au Pair Jahr nicht das selbige.
Dennoch habe ich einen der schönsten Momente in meinem Auslandsjahr mit meiner Gastfamilie erlebt. Ich will euch nun von dem Augenblick erzählen, an welchem ich das erste Mal wirklich realisiert habe, dass ich hier gerade meinen Traum lebe. Traditionell feiern die Engländer am fünften November die Bonfire Night. Diese geht auf den katholischen Verschwörer Guy Fawkes zurück, welcher im Jahr 1605 versuchte, das Parlament sowie den protestantischen König James I. durch Sprengstoff in die Luft zu jagen, aber scheiterte. Guy Fawkes wurde erwischt und anschließend öffentlich gefoltert. Um das erfolgreich abgewendete Attentat zu feiern, durften die Engländer an diesem Abend überall Lagerfeuer entzünden. Darin liegt der Ursprung der heutigen Tradition, am Abend des fünften Novembers riesige Lagerfeuer anzuzünden und symbolisch Modellpuppen, die Guy Fawkes darstellen sollen, darin zu verbrennen. Er verbrennt damit symbolisch noch einmal auf dem Scheiterhaufen. Zu späterer Stunde wird der Abend noch mit Feuerwerken ausgeklungen.
Genau 49 Tage nach meiner Ankunft, an der Guy Fawkes Night, war mein eindrucksvolles Erlebnis. Ich hatte generell schon einen schönen Tag mit meinen Freunden verbracht gehabt und konnte es kaum erwarten, abends mit meiner Gastfamilie zu der lokalen Bonfire Night in Chertsey zu gehen. Bevor wir uns auf den Weg machten, hatte meine Gastmutter uns traditionell für die englische Küche „Toad in the hole“, Bratwürste in Eierteig vorbereitet. So sollte ich heute nicht nur den ersten richtig englischen Feiertag, sondern auch das erste richtig britische Gericht genießen. Allein für diese zwei Möglichkeiten hätte ich nicht dankbarer sein können, doch als wir am Platz des Lagerfeuers, welcher von den Pfadfindern der Kinder gestellt wurde, ankamen, wurden alle meine Erwartungen übertroffen. Ein riesiges Lagerfeuer, geziert von Guy Fawkes Puppen loderte an einem Ende, unzählig gut gelaunte Engländer inmitten der Feier und kleine, niedliche Stände auf der anderen Seite des Geländes. Und als ich da so stand, umgeben von meiner herzlichen Gastfamilie, alle mit einem „Rocky Road Bite“ (ebenfalls typisch britisch) in der Hand, ist mir klar geworden, wie viel Glück ich eigentlich habe. Zum allerersten Mal in meiner Zeit hier, habe ich realisiert, was für eine Möglichkeit sich für mich hier ergeben hat, wie dankbar ich dafür bin, dass ich so eine Chance bekommen habe und wie sehr ich es schätze, genau in dieser Gastfamilie gelandet zu sein. Als dann auch noch die 15- minütige Feuerwerkshow angebrochen ist, blieb ich nur noch staunend zurück. Die bunt explodierenden Lichter am Nachthimmel spiegelten genau meine Stimmung wieder, ich- voller Freude und Dankbarkeit. Nachdem die letzten Glitzerfäden in der Dunkelheit verblasst waren, nahm jeder meiner Gastfamilie mich in den Arm und ich glaube, wir alle waren in einer Wolke der Glückseligkeit umgeben, die ich in meiner Zeit davor, nie wahrgenommen hatte. Da wusste ich, ich war angekommen, hier in England, in der Familie Rutter/ Perrins und ich habe realisiert, dass ich es gar nicht erwarten kann, die nächsten Monate genau an diesem Ort zu verbringen und das Jahr meines Lebens zu haben.
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Vielen Dank für Ihren schönen Essay, Miriam! Wir haben uns sehr über Ihre Einsendung gefreut und möchten Ihnen auch an dieser Stelle nochmals gratulieren!
Wir wünschen Ihnen auch weiter noch eine tolle Zeit in als Au-Pair in England.
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